Kündigerprognose im Handel
Churn ist ein Kunstwort, welches sich aus den englischen Wörtern Change (Wechsel) und Turn (Abwenden) zusammensetzt. Gemeint ist damit die Abkehr der Kunden und Kundinnen vom Unternehmen. Churn kann zum Beispiel in der Form erfolgen, dass Kunden bestehender Verträge kündigen oder auch in der für den Kunden einfacheren Form, dass dieser das Angebot oder die Leistungen des Unternehmens nicht mehr kauft und zu einem anderen Anbieter abwandert.
Bei vielen Unternehmen gehört das Gewinnen neuer Kunden und Kundinnen zu den größten Kostenpositionen im Kundenmanagement. Nach einer bekannten Faustformel ist es etwa fünfmal teurer, einen Neukunden zu akquirieren, als einen Bestandskunden zu halten. Kundenbindung und Kundenloyalität sind daher wesentliche Ziele einer soliden Geschäftsstrategie. Kundenabwanderung durch präventive Maßnahmen zu vermeiden, sollte zum Standard eines jeden Unternehmens zählen.
Nur wie wird frühzeitig erkannt, welche der bestehenden Kunden und Kundinnen den Willen haben abzuwandern? Welches sind die verschiedenen Gründe der Kundschaft für eine Abwanderung? Erst wenn diese Fragen beantwortet sind, können passende Maßnahmen abgeleitet werden, um Kunden und Kundinnen weiterhin an das Unternehmen zu binden.
Kündigerprognose in Branchenvergleich
Vor allem in Branchen wie Telekommunikation, Banken und Versicherungen mit vertragsbasierten Geschäftsmodellen hat ein proaktives Churn-Management und die Kündigerprognose schon lange einen hohen Stellenwert. Die Verwendung des Begriffes „Kündigerprognose“ deutet an, dass in diesen Branchen die Abwanderung eines Kunden oder einer Kundin bedeutet, dass dieser oder diese einen Vertrag aktiv kündigt. Der Zeitpunkt, zu welchem ein Kunde oder eine Kundin abgewandert ist, lässt sich somit eindeutig identifizieren.
Bei Handelsunternehmen mit transaktionsbasierten Geschäftsmodellen findet in der Regel jedoch keine aktive Kündigung statt. Stattdessen hören Kunden und Kundinnen irgendwann einfach auf, die angebotenen Produkte zu beziehen. Oder sie kaufen nur noch sehr selten und im geringeren Umfang ein. Folglich ergibt sich im Handel die Herausforderung zunächst zu überlegen, wie die Abwanderung eines Kunden oder einer Kundin definiert wird und woran feststellbar ist, dass eine Abwanderung erfolgt ist oder wahrscheinlich bevorsteht.
Hinweise auf eine bevorstehende Abwanderung eines Kunden oder einer Kundin lassen sich auch im Handel in den gesammelten Daten zum Kundenverhalten finden. Eine sinkende Kauffrequenz und sonstige Abweichungen vom regulären Kaufverhalten oder auch die Suche bestimmter Begriffe auf der Website können Indizien liefern, sofern die verschiedenen Daten gesammelt, extrahiert und miteinander verknüpft werden können. Händler und Händlerinnen, die zudem über einen Online-Shop oder eine Kundenkarte verfügen, besitzen eine äußerst wertvolle Datenbasis für die Erstellung eines Modells zur Vorhersage der Kundenabwanderung.
Kunden und Kundinnen, die nach den festgelegten Kriterien als bereits abgewandert gelten, kann das Unternehmen hinsichtlich ihrer Merkmale und ihres Verhaltens vor der Abwanderung analysieren. Anschließend kann es diese mit den Kunden und Kundinnen vergleichen, die nicht abgewandert sind.
Nutzung von Data Science zur Churn-Prognose
Churn Prediction ist ein Prognoseverfahren aus dem Bereich Predictive Analytics. Es ermöglicht Vorhersagen über die Kündigungswahrscheinlichkeit jedes einzelnen Kunden. Mit diesen Prognosen lassen sich Maßnahmen zur Kundenbindung ergreifen, noch bevor Kunden und Kundinnen abwandern.
Bei der Erstellung eines Churn-Prediction-Modells stehen zunächst fachliche Fragestellungen im Vordergrund. Beispielsweise der Nutzungskontext, relevante Produkte und Kundengruppen sowie die zu modellierenden Zielvariablen. Denn die Definition des abgewanderten Kunden ist selten direkt eindeutig. Auf Basis der Beantwortung dieser Fragestellungen kann dann entschieden werden, ob ein einziges Modell zur Abwanderungsprognose ausreichend ist, oder ob verschiedenen Modelle für unterschiedliche Kundengruppen und Produkte erstellen werden müssen. Unsere Erfahrung zeigt hierbei, dass die besten Churn-Prediction-Modelle in einem mehrstufigen und iterativen Prozess entwickelt werden. Ein Prozess, der Informationen aus einer bestehenden Kundensegmentierung und die Position des jeweiligen Kunden oder der Kundin im Customer Lifecycle in die Vorhersage der Kündigungswahrscheinlichkeit mit einbezieht.
Im Rahmen der technischen Umsetzung ist neben der Entwicklung des Modells zur Vorhersage der Abwanderungswahrscheinlichkeit (Churn Prediction) der Prozess der Erschließung und Aufbereitung der Daten der wichtigste Schritt. Mittels Feature Engineering aus dem Bereich <a href="https://www.taod.de/services/data-engineering-consulting“ data-webtrackingID="blog_content_link" > Data Engineering </a> werden aus den Rohdaten neue Variablen, die so genannten Features (Merkmale) gebildet. Folglich stellen sie eine wesentliche Basis für das Churn-Prediction-Modell dar.
Deep Learning in der Churn-Prognose
Zur Vorhersage einer Kundenabwanderung und Zuordnung einer Wahrscheinlichkeit können klassische Prognosemodelle aus dem Bereich <a href="https://www.taod.de/services/artificial-intelligence-consulting“ data-webtrackingID="blog_content_link" > Data Science & AI </a> angewendet werden. Zu diesen Prognosemodellen zählen zum Beispiel Logistische Regressionen, Entscheidungsbäume oder moderne Deep Learning Verfahren (zum Beispiel Neuronale Netzwerke).
Kennzeichnend für Deep Learning Verfahren ist, dass diese eine sehr hohe Komplexität innerhalb der Modelle abbilden können. Jedoch sind sie schwierig zu interpretieren, beispielsweise welche Merkmale (Features) einen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit einer Abwanderung haben. Daher sind in der Praxis häufig klassische Prognosemodelle präferiert. Deren Vorteil liegt in der einfacheren Interpretierbarkeit und Robustheit des Modells. Damit lassen sich Verhaltensmuster von Abwanderern identifizieren, um diese auf die aktuellen Daten zu übertragen. Beispielsweise, um potenzielle Abwandernde unter den Kunden und Kundinnen mit einer hohen Vorhersagegenauigkeit zu identifizieren.
Sobald das Churn-Prediction-Modell erstellt und implementiert ist, ergibt sich für jeden Kunden und jede Kundin eine individuelle Abwanderungswahrscheinlichkeit. Die wird regelmäßig neu berechnet und aktualisiert. Dadurch verfügen Unternehmen aus dem Handel oder E-Commerce jederzeit über aktuelle Abwanderungsvorhersagen, die sie direkt in Marketing- und Vertriebsaktionen nutzen können.
Das Ergebnis: Wertvolle Informationen für Marketing und Vertrieb
Die Marketing- und Vertriebsabteilungen im Handel erhalten als Ergebnis der Umsetzung des Churn-Prediction-Modells wichtige Informationen, um Kunden und Kundinnen rechtzeitig von der Abwanderung abzuhalten. Werden ergänzend die Gründe für die Abwanderung vergangener Kunden und Kundinnen erfasst und die möglichen Kündigungsgründe innerhalb des Modells vorhergesagt, verfügt das Marketing über entscheidende Informationen zur Optimierung der Kampagnensteuerung. Unwirksame oder kontraproduktive Maßnahmen lassen sich so vermeiden. Hierdurch kann das Unternehmen wertvolle Budgets effizient für individuell passende Kampagnen nutzen.
Für Mitarbeitende im Customer Service Center lassen sich zudem konkrete Maßnahmenkataloge zur proaktiven Kundenbindung erstellen. Idealerweise sind diese Informationen direkt innerhalb des Kundenprofils, zum Beispiel im CRM-System, hinterlegt. Auf diese Weise können die Mitarbeitenden die Maßnahmen kundenindividuell wählen und dem jeweiligen Kontext anpassen.