“Wir haben jetzt eine feste Ordnung und Struktur.“
Für ein Unternehmen wie die RheinEnergie, mit 4,07 Milliarden Euro Jahresumsatz im Jahr 2023, das bereits zahlreiche Dateninitiativen in 15 Unternehmensbereichen verzeichnet, ist die Entwicklung einer bereichsübergreifenden Datenstrategie eine zentrale Aufgabe. Gemeinsam mit taod plant das Kölner Unternehmen, durch eine dezidierte strategische Ausrichtung mehr Geschwindigkeit in der Datenpraxis aufzunehmen. Im Gespräch erzählen der Strategie- und Unternehmensentwickler Dr. Heiner Lütjen von der RheinEnergie und Ben Köhler, Senior Data Consultant bei taod, wie die theoretische Arbeit mit Daten für praktischen Unternehmenserfolg sorgen kann.
Heiner, welche Rolle nimmt das Thema Daten in deinem Alltag ein?
Heiner Lütjen: Natürlich beschäftige ich mich im beruflichen Kontext thematisch viel mit Daten & KI. Zudem habe ich über die RheinEnergie die Möglichkeit am ada fellowship Programm teilzunehmen, bei dem ich gerade mit Führungskräften aus anderen Unternehmen an einem gemeinsamen Projekt zur Implementierung und Nutzung eines KI-Chatbots arbeite. Privat begleitet mich das Thema Digitalisierung zudem in meinem Ehrenamt. Ich unterstütze Senioren und Seniorinnen bei der Aneignung digitaler Kompetenzen. Dafür braucht es geduldige Anleitung, einfache Erklärungen und passende Übungsmöglichkeiten, die auf die Bedürfnisse und den Wissensstand der Seniorinnen zugeschnitten sind. Insbesondere die einfache und adressatengerechte Kommunikation dort hilft mir auch im beruflichen Alltag komplexe Dinge einfacher zu vermitteln.
Ben, beschäftigst du dich privat viel mit Daten?
Benedikt Köhler: Ich bin kein hyperdigitaler Mensch, aber klar, heutzutage kann man sich im Privaten kaum aus der Datenwelt rausziehen. Wirklich aktiv beschäftige ich mich nur mit Finanzdaten – da fuchse ich mich schon gern rein und nutze Power BI für meine Analysen.
Der wertschöpfende Umgang mit Daten ist in Unternehmen ein sehr wichtiges Thema. Was sind die relevanten Treiber bei der RheinEnergie, sich mit Daten zu beschäftigen?
Heiner: Wir als RheinEnergie haben mehrere Treiber, uns intensiv mit Daten auseinanderzusetzen. Ein wesentlicher ist sicher der zunehmende Transformationsdruck für Energieversorger. Besonders in Richtung unserer verschiedenen Kundensegmente müssen wir aufgrund des steigenden Wettbewerbs adressatengerechter kommunizieren und neue Produkte und Dienstleistungen schneller testen, um auch neue Kundenerwartungen erfüllen zu können.
Um das zu können, brauchen wir in unseren Prozessen aber auch eine verbesserte Datenqualität. Gute Datenqualität ist für eine erfolgreiche Datennutzung unerlässlich, denn sie gewährleistet, dass die gewonnenen Informationen und Erkenntnisse zuverlässig und nutzbar sind. Wenn die Datenqualität nicht stimmt, kann dies zu Fehlentscheidungen führen, die potenziell erhebliche finanzielle und strategische Auswirkungen für unser Business haben können.
Nicht zu vergessen ist, dass wir unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beim Ausbau ihrer Datenkompetenz mit geeigneten Weiterbildungsformaten und Instrumenten unterstützen wollen. Das sind eine Auswahl von internen und externen Treibern, die dafür sprechen, dass wir uns auch künftig viel mit dem Thema Daten beschäftigen werden.
Ihr seid schon gut in dem Bereich aufgestellt, habt unterschiedliche Dateninitiativen, setzt euch mit den Themen auseinander. Aber man hört auch raus, dass ihr noch nicht überall ganz sortiert seid und hier und da auch Kompetenzen fehlen.
Heiner: Welches Unternehmen würde jetzt sagen, wir sind schon überall “on the top”. Natürlich haben wir zukünftig an vielen Stellschrauben zu drehen. Wie viele andere Unternehmen haben auch wir die Herausforderung, konsistente, vollständige Daten zu sammeln, zu verwalten und dann auch entsprechend zu nutzen. Diese stammen häufig aus verschiedenen Systemen, die nicht immer miteinander verknüpft sind, was die Integration von Daten zu einer einheitlichen Datenbasis erschwert. Als Unternehmen mit vielen unterschiedlichen Fachbereichen benötigt es zudem Klarheit, wer welche Rollen und Zuständigkeiten hat. Es bedarf einer zentralen Data Governance, die Standards und Prozesse für Datenqualität festlegt, aber auch klare Verantwortlichkeiten für die unterschiedlichen Rollen definiert und dabei die Schnittstellen zwischen zentralen und dezentralen Bereichen aufzeigen sollte.
Eine weitere Herausforderung ist es für uns, unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit ihren unterschiedlichen Schwerpunkten auf der Transformationsreise mitzunehmen und den Kompetenzaufbau entsprechend zu gestalten. Vor diesem Hintergrund war uns klar, dass wir eine durchdachte Planung der Datenstrategie und eine enge cross-funktionale Zusammenarbeit zwischen IT-Abteilung, Strategie und Fachabteilungen benötigen.
Wie sieht der Status Quo in anderen Unternehmen aus, Ben?
Ben: Also auf abstrakter Ebene sehe ich schon, dass sich die Herausforderungen an vielen Stellen gleichen. Datenqualität ist natürlich immer ein Thema, vor allem, wenn man in Richtung KI denkt. Wir bekommen da ganz unterschiedliche Anfragen. Und die allermeisten Unternehmen agieren hier im Brownfield – müssen also mit Altlasten umgehen und Weiterentwicklung vorantreiben, anstatt nur auf losgelöste neue Initiativen zu setzen. Das Thema Datenstrategie ploppt dann meist erst auf, wenn man merkt, durch zu viele unabhängige Initiativen werden die Handlungsfelder zu breit. Dann fragt man sich, in welche Richtung man eigentlich möchte oder was die übergreifenden Probleme sind, innerhalb einer Konzernstruktur zum Beispiel.
Welche Rolle spielt die Unternehmensgröße an der Stelle?
Ben: Es ist ein deutlicher Unterschied, ob man eine Datenstrategie für ein mittelständisches Unternehmen macht, und da viel konkreter am Kerngeschäft hängen kann, oder ob es, wie bei der RheinEnergie, darum geht, einen Nenner herauszuarbeiten. Denn hier hatten wir sehr unabhängige dezentrale Bereiche und wollten schauen, welche Synergien wir heben können. Da hatten wir ganz viele ganz unterschiedliche Aufgaben und Inhalte. Ein kleines Unternehmen kann sich schneller verändern, kann ganz andere Arten von Zielen definieren und muss auch weniger Leute abholen.
Heiner: Das stimmt.
Ben: Bei so großen Unternehmen gehört ganz viel interne Politik und Kommunikation dazu, um für diesen Tanker den Kurs auch nur um fünf Grad zu ändern.
Wie gehst du da ran?
Ben: Das hängt wirklich von der Größe ab und wie konkret die Aufgaben sind. Wenn es um die Organisationsentwicklung geht, sind die Anfragen meist sehr konkret, nach dem Motto: “Wir brauchen ein Data Team, könnt ihr uns helfen, das aufzubauen?” Bei einem reinen Strategieprojekt müssen wir zuerst einmal die Situation des Unternehmens und die Wertschöpfungsprozesse verstehen, damit wir ableiten können, welche Rolle Daten in Zukunft spielen müssen, um einen tatsächlichen Mehrwert zu liefern.
Manchmal müssen wir die Anfrage des Kunden auch zunächst hinterfragen und schauen, ob wir konkrete Zielformulierungen eventuell runterspezifizieren müssen, um dann kleinere strategische Schritte einzuleiten.
“Manchmal müssen wir die Anfrage des Kunden auch hinterfragen.”
Bei euch beiden höre ich raus, dass Unternehmen bereits mitten drin sind, Data-Initiativen zu gründen sowie Technologien einzukaufen und zu nutzen. Irgendwann scheinen sie aber in die Situation zu kommen, an dem sie sagen: “Wir kommen hier nicht mehr weiter, wir brauchen Hilfe.” Heiner, an welchem Punkt habt ihr erkannt, dass euch der Blick von außen weiterhelfen könnte, so dass ihr das Thema Datenstrategie ausgeschrieben habt?
Heiner: Es gab für uns drei wesentliche Gründe dafür: Geschwindigkeit, Objektivität und externe Expertise. Uns war von Anfang an klar, dass wir unsere Fachbereiche stark involvieren wollen, um ein hohes Commitment für die Ergebnisse zu erhalten. Die vielen Interviews und Workshops mit den Bereichen waren zeitintensiv, aber inhaltlich mit großem Mehrwert für ein nachhaltiges Endergebnis. Ben hat es eben angesprochen: In einem Unternehmen mit 2.500 Mitarbeitern muss man viele Mitarbeiter und Führungskräfte auf unterschiedlichen Hierarchieleveln abholen, damit man Commitment schafft und ein gutes Stakeholder-Management betreiben. Da haben wir entschieden, wir bekommen das alleine nicht schnell genug umgesetzt, wollen aber jetzt zeitnah ein Ergebnis haben, mit denen die Bereiche weiterarbeiten können.
Und die weiteren Gründe?
Heiner: Zudem wollten wir eine externe Sichtweise, eine unvoreingenommene Perspektive, um so blinde Flecken und eingefahrene Muster im Unternehmen zu identifizieren, die möglicherweise hinderlich wären. Am Anfang des Projekts haben wir eine Status-Quo-Analyse gemacht. Da war auch noch mal gut zu sehen, wie stehen wir denn eigentlich im Wettbewerb und was sind unsere Pain Points. Ist das nur unser Bild, das wir uns gerade machen oder ist das auch das, was andere Unternehmen ähnlich spüren? Um gemeinsam eine Struktur oder Roadmap zu entwickeln, mit entsprechenden Handlungsfeldern, haben wir ein Sparring gesucht.
Und natürlich erfordern Datenstrategien ein fundiertes Fachwissen über Datenarchitektur, Datenmanagement, Analytics, KI und rechtliche Rahmenbedingungen. Hier wollten wir durch eine externe Beratung auch spezialisiertes Fachwissen erhalten.
“Wir haben zu Beginn des Projektes den inhaltlichen Fokus geschärft und auch die inhaltlichen Projektziele nachjustiert.”
Welche Ziele wolltet ihr mit einer übergreifenden Strategie erreichen?
Heiner: Ja, das war ganz interessant. Ben hat es ja auch mitbekommen: Wir haben zu Beginn des Projektes den inhaltlichen Fokus geschärft und auch die inhaltlichen Projektziele nachjustiert. Anfangs war meine Vorstellung eigentlich, dass wir inhaltliche Themen stärker ausarbeiten könnten. Also zum Beispiel ein Data-Governance-Modell mit den Kollegen diskutieren. Oder vielleicht auch schon <a href="https://www.taod.de/services/data-engineering-consulting" data-webtrackingID="blog_content_link" >erste Schritte zur Evaluierung der zukünftigen Dateninfrastrukturen</a> zu machen. Das hatten die Kollegen von taod mit ihrem Data Mesh Konzept auch schon vorgestellt.
Aber?
Heiner: Je länger wir in die Diskussion mit den Fachbereichen und auch mit den Sponsoren (Budgetgeber des Strategieprojektes, Anm. d. Red.) gegangen sind, umso eher haben wir festgestellt, dass es im ersten Schritt eigentlich darum geht, zentrale Prämissen für die RheinEnergie zu setzen. Beispielsweise zu definieren, Daten sind für uns ein unternehmerischer Wert, daran wollen wir in Zukunft unsere Unternehmensstrategie ausrichten. Zudem wollten wir das Thema Daten stärker in der Unternehmenskultur verankern, um damit datenbasierte Entscheidungsfindung und kontinuierliches Test & Learn zu ermöglichen. Mit solchen Prämissen haben wir Klarheit und ein gemeinsames Verständnis geschaffen.
Das zweite wesentliche Ziel, das wir eben auch erkannt haben, war eine gewisse Ordnung und Struktur in die Themen zu bringen, die wir umsetzen wollen. Also eine Art Roadmap von Handlungsfeldern zu definieren, und diese dann auch mit Verantwortlichkeiten zu besetzen. Das waren am Ende des Tages auch die zwei zentralen Ergebnisse, die Prämissen und die Handlungsfelder mit Verantwortlichkeiten, die wir jetzt in die Umsetzung bringen.
Das klingt nach dem Hinterfragen eurer ursprünglichen Anforderungen, wie Ben eben erwähnte.
Heiner: Meine Erwartungshaltung war am Anfang, dass wir schon mehr in die inhaltliche Diskussion unserer Handlungsfelder einsteigen. Da ging es um Kompetenzaufbau in den jeweiligen Bereichen, um Dateninfrastruktur, da haben wir bereits über viele Themen, wie Datenqualität und Governance, gesprochen. Aber wir sind in dem Strategieprojekt nicht zu stark in die fachliche Ausgestaltung der Handlungsfelder gekommen.
Ben: Mir ging es da ähnlich, wie du das beschreibst. Das war, denke ich, auch Teil des Erkenntnisprozesses. Denn keiner, weder ihr noch wir, würde sich dagegen wehren, konkret in Inhalte vorzupreschen. Aber das war gar nicht so einfach, weil viel Stakeholder-Management nötig war und in den involvierten Bereichen so viele unterschiedliche Status Quo bestanden. Die einen hatten zum Beispiel schon eine Data Governance entwickelt, die anderen eben noch nicht.
Für mich hört es sich nach einer großen Herausforderung an, bereits vorhandene Datenarbeit auf eine vorgezogene, abstrakte Ebene zu bringen.
Ben: Hätten wir im Januar gesagt, wir machen jetzt eine zentrale Governance, dann hätten manche Bereiche darauf hingewiesen, dass sie schon eine haben, andere hätten sich nach den Kosten erkundigt und die nächsten hätten gemeint, sie brauchen keine. Mit der Datenstrategie haben wir sehr viel an Ausrichtungsdiskussion abgeräumt. Dadurch wurden alle mit einbezogen und die Größe des Projekts wurde umso deutlicher. Ein Projekt, das vom Vorstand abgesegnet ist und an dem nun bereits drei große Bereiche mitarbeiten.
“Ich sehe es als Stärke der Strategie, dass sie auch ein wenig abstrakt ist.”
Die Datenstrategie – und das ist wie aus dem Lehrbuch – enabled eben bestehende Unternehmensziele. Ich sehe es als Stärke der Strategie, dass sie auch ein wenig abstrakt ist, und man das Doing davon ableiten kann. Es ist ein Erfolg für die RheinEnergie, dass alle Leute nun an einem Strang ziehen, wenn es um Datenthemen geht. Das hätte man ohne dieses Projekt bei Weitem nicht geschafft.
Heiner: Das, was du als abstrakt beschreibst, sehe ich gleichzeitig als Stärke und Schwäche. Natürlich haben viele Mitarbeiter den nachvollziehbaren Wunsch, dass eine Datenstrategie sehr konkret beinhaltet, was zu tun ist. Wir haben aber keinen Maßnahmenplan entwickelt nach dem Motto “Wir müssen morgen diese Maßnahme umsetzen, damit übermorgen das dabei herauskommt”. Das ist aus meiner Sicht aber auch nicht Aufgabe einer Datenstrategie.
Eine Strategie hat den Auftrag, eine gewisse Ordnung und Struktur in die relevanten Handlungsfelder zu geben, diese zu priorisieren und in eine zeitliche Reihenfolge zu bringen und nicht, das Ergebnis schon im Detail vorwegzunehmen. Wir als Strategieabteilung müssen eine Brücke schlagen zwischen der langfristigen Strategie und dem Transfer auf die Maßnahmenebene in den Bereichen. Das führt manchmal zu Irritationen in der Erwartungshaltung von Mitarbeitern. Hierfür ist aber die Umsetzung da, die wir jetzt mit großer Entschlossenheit angehen wollen. Aber natürlich müssen wir als Strategieabteilung eine Brücke schlagen und den Transfer auf die Maßnahmenebene gemeinsam mit den Bereichen entwickeln.
“Wir als Strategieabteilung müssen eine Brücke schlagen zwischen der langfristigen Strategie und dem Transfer auf die Maßnahmenebene in den Bereichen.”
Ben: Mit einem reinen Backlog als Strategiedokument stünde man in einem Jahr wieder an der gleichen Stelle, mit neuen Problemen. Natürlich werden wir in ein oder zwei Jahren auch wieder über neue Handlungsfelder oder Nachjustierungen an der Datenstrategie sprechen müssen. Aber es werden viel einfachere Gespräche sein, weil man eben nicht von einem Problem ins nächste kommt, sondern für ganz konkrete Themen den Status Quo auf Basis vorangegangener Erfahrungen und Zielsetzungen bewerten kann.
Heiner: Aus meiner Sicht ist genau das der Kern der Sache. Ein kurzes prägnantes Strategieprojekt zu machen, das haben wir mit eurer Unterstützung relativ sportlich hinbekommen. Man muss schnell in die Formulierung einer Datenstrategie kommen, dann schnell erste Erfolge an konkreten Use Cases zeigen und dann die weitere Umsetzung von größeren Projekten angehen.
Ben: Jetzt können die konkreten Gespräche und Projekte sehr gut losgehen. Alle sind abgeholt und agieren auf einem Nenner. Die Motivation ist hoch. Eine Ambition in einem Strategieprojekt ist es auch, dass die Leute sich einbezogen fühlen und loslegen wollen und nicht schon von den ganzen besprochenen Problemen erschöpft sind. Und das haben wir, glaube ich, gut getroffen.
Wie funktioniert die Erarbeitung einer Strategie mit so vielen unterschiedlichen Ebenen und Stakeholdern, Ben?
Ben: Der Einbezug der Opinion Leader im Unternehmen ist eine wichtige Grundlage. Die gehören, zusammen mit den Stakeholdern und Sponsoren, zu den wichtigsten Inputgebern in so einem Projekt. Klar ist: In einer Organisation dieser Größe geht es nicht darum, den “richtigen” Plan zu erarbeiten und von oben durchzudrücken, sondern die bereits datenaktiven Leute dazu zu bringen, mitzumachen – bei der Lösungsfindung und anschließend bei der Umsetzung. Durch den Einbezug dieser Personenkreise erhält man nicht nur eine gute Qualität in den Ergebnissen, sondern auch Commitment der wichtigsten Meinungsträger – die die Ergebnisse ja mit erarbeitet haben.
Wie genau seid ihr vorgegangen?
Heiner: Wir haben insgesamt 15 Unternehmensbereiche. Uns war klar, wir können nicht mit allen gleichzeitig beginnen. Gleichzeitig wollen wir natürlich möglichst viele Bereiche zukünftig unterstützen. Deswegen haben wir gesagt, wir fangen mit dem Netzbereich und den drei Vertriebsbereichen an. Mit diesen vier Bereichen haben wir am Anfang gestartet, um eine Art Blaupause für die relevanten Handlungsfelder zu entwickeln. Nach und nach wollen wir jetzt weitere Bereiche integrieren und deren Bedarf aufnehmen.
Apropos Interviews, Ben. Du hast dich für eine workshopbasierte Herangehensweise zur Erarbeitung einer Strategie entschieden. Warum?
Ben: Ein strukturiertes Workshop-Format, kombiniert mit den richtigen Tools, ist die schnellste Art und Weise, viel Input aufzunehmen. Wir waren damit auch in relativ kurzen Terminen von ein oder zwei Stunden in der Lage, die Themen der Mitarbeiter aufzunehmen und festzuhalten. Workshop-Formate helfen, Vergleichbarkeit herzustellen sowie unterschiedlichen Fokus oder verschiedene Prioritäten zu identifizieren.
Heiner, haben dir die Methoden gefallen?
Heiner: Die Methoden fand ich wirklich sehr gut. Es war sinnvoll, mit den Workshops je Bereich anzufangen, die Leute erst mal auch vor Ort zusammenzubringen und ein gemeinschaftliches Verständnis zu schaffen. Auch die Interviews zwischendrin waren ergebnisreich. Wir haben viel in Miro gemacht und Formate genutzt, in denen eine hohe Beteiligung gefragt war. Das war gut.
“Wir haben jetzt eine feste Ordnung und Struktur, wissen, an welchen Themen wir arbeiten wollen und wir als Unternehmen sind uns über die Prioritäten klar.”
Die Umsetzung der Strategie ist nun angelaufen. Wie gut funktioniert das bis jetzt?
Heiner: Wir haben jetzt eine feste Ordnung und Struktur, wissen, an welchen Themen wir arbeiten wollen und wir als Unternehmen sind uns über die Prioritäten klar. Das ist glaub ich schon relativ stark übertragbar auf ganz viele Unternehmen in unserer Branche. Jetzt entwickeln wir ein Konzept mit unseren Bereichen, wie wir auch in der Umsetzung die Geschwindigkeit aufrechterhalten können.
Ben: Die Datenstrategie im Unternehmen zu verankern hat, denke ich, sehr gut funktioniert. Erstens sind alle vom Ergebnis überzeugt und wissen, jetzt geht die Arbeit los. Zweitens haben wir vor allem Strukturen geschaffen, um das Thema Daten langfristig bei der RheinEnergie zu treiben.
Heiner: Für mich war das Entscheidende, wie Ben es eben sagte, mit den einzelnen Stakeholdern die Verantwortlichkeiten zu definieren und den Grad der Zentralisierung festzulegen. Bei der Größe des Unternehmens können wir nicht aus der strategischen Unternehmensentwicklung und einer IT heraus alles zentral steuern. Wir müssen immer abwägen zwischen Themen, die von den Bereichen selbst umsetzbar sind und Themen, die für die gesamte RheinEnergie zentral zu organisieren sind und an denen wir alle zusammen arbeiten sollten. Unsere Idee ist, jetzt in der Umsetzung einen flexiblen Ansatz zu fahren. Bestimmte Handlungsfelder versuchen wir, mit ausgewählten Marktbereichen im kleineren Kreis zu entwickeln und dann zu übertragen auf weitere Bereiche. Ansonsten hätten wir immer wieder die Situation, dass wir ein Handlungsfeld mit 15 Bereichen und mindestens 15 Ansprechpartnern in großen Workshops diskutieren müssen. Da ist der Kommunikationsaufwand letztendlich am Anfang schon zu groß. Hier müssen wir sukzessive und in Wellen vorgehen.
Hast du ein Beispiel?
Heiner: Das Thema Data Governance ist zum Beispiel mit drei verschiedenen Bereichen entwickelt worden. Da sagen wir jetzt nicht, da kommen noch weitere Marktbereiche in den ersten Workshops hinzu, die aber natürlich auch zukünftig mit den Ergebnissen arbeiten und umgehen müssen. Sondern wir entwickeln in Abstimmung mit den Bereichen unterschiedliche Rollen in den Handlungsfeldern, die eine sukzessive Einbindung aller Bereiche ermöglicht, ohne diese ressourcentechnisch zu überlasten. Ein weiteres Beispiel ist das Thema Systematisierung des Kompetenzaufbaus. Auch hier Bedarf es unterschiedlicher Konzepte, die je nach Bedarf und Anforderungen der jeweiligen Fachbereiche auszugestalten sind. Aber auch hier wird es zeitlich schwierig, dies alles gleichzeitig umzusetzen. Hier werden Prioritäten gesetzt werden müssen.
Wie organisiert ihr euch?
Heiner: Wir haben nun drei Formate etabliert, die wir in der Umsetzung nutzen wollen. Das erste Format ist die strategische Verankerung über den Strategieprozess, sozusagen die Top-down-Diskussion mit dem Vorstand. Hier adjustieren wir einmal im Jahr die Datenstrategie und ändern bei Bedarf auch die strategischen Schwerpunkte. Das zweite Format ist eine Art Steuerungsboard, in dem wir uns zunächst quartalsweise mit ausgewählten Bereichsleitern abstimmen: Passen die Handlungsfelder noch, wie ist hier der Fortschritt, was müssen wir anpassen? Müssen wir neue Handlungsfelder starten und gewisse andere schließen? Das dritte Format, das klassische Multiprojektmanagement, liegt auf operativer Ebene. Wir treffen uns hier mit allen Handlungsfeldverantwortlichen, geben uns eine Art Blitzlicht über den Status Quo und diskutieren ganz konkrete Problemstellungen.
Wer gehört zu den zentralen Ansprechpartnern?
Heiner: Die IT und die strategische Unternehmensentwicklung werden zukünftig die Organisation gemeinsam übernehmen. Zusätzlich wird es ein Data Team geben, das sich bereits seit einigen Wochen im Aufbau befindet, und ganz stark in die Umsetzung eingebunden sein wird.
Wie setzt sich das Data Team zusammen?
Heiner: Das hat sich aus unterschiedlichen Bereichen intern rekrutiert. Diese Mitarbeiter sind jetzt eben nicht mehr nur für einen Bereich zuständig, sondern bearbeiten die Themen übergreifend. Seit September gibt es zudem einen neuen Gruppenleiter, der die inhaltlichen Schwerpunkte jetzt sukzessive mit seinem Team entwickelt.
Wie sehen die nächsten drei bis sechs Monate bei euch aus?
Heiner: Wir beginnen jetzt mit der Umsetzung in den ersten Handlungsfeldern. Wir wollen die Kollegen mitnehmen auf die Reise und für die Themen begeistern. Kommunikation ist ganz entscheidend an der Stelle. Gestartet sind wir ja mit Data Governance, da wollen wir wirklich schnell die Rollen und Verantwortlichkeiten definieren, um dann in die weiteren Handlungsfelder zu starten.
Was rätst du Unternehmen, zu welchem Zeitpunkt sie sich externe Hilfe für das Thema Data Strategy ins Haus holen sollten?
Heiner: Wenn Geschwindigkeit ein Thema ist sowie ein neutraler Blick, dann kann man eine Datenstrategie mit externer Unterstützung entwickeln. Wenn hingegen genügend Ressourcen zur Verfügung stehen, kann man das auch erst mal alleine machen und dann eher in der Umsetzung auf Unterstützung setzen. Es schließt sich beides nicht aus und hängt immer vom Kontext und von den Rahmenbedingungen ab.
“Ich würde die Ambidextrie-Fähigkeit von Unternehmen als wesentlichen Erfolgsfaktor für die Zukunft bezeichnen. Auf der einen Seite müssen wir unsere Hausaufgaben machen, um operative Prozesse in unserem Tagesgeschäft zum Beispiel durch eine verbesserte Datenqualität weiterzuentwickeln, wiederholende Tätigkeiten stärker zu automatisieren oder bestehende Produkte durch neue Datenquellen zu verbessern. Auf der anderen Seite müssen wir uns schon heute mit weiter in der Zukunft liegenden Anwendungsfällen beschäftigen.”
Ein kurzer Blick in die Zukunft: Welche Data-Trends oder Fähigkeiten seht ihr in den nächsten zwei Jahren?
Heiner: Ich würde die Ambidextrie-Fähigkeit von Unternehmen als wesentlichen Erfolgsfaktor für die Zukunft bezeichnen. Auf der einen Seite müssen wir unsere Hausaufgaben machen, um operative Prozesse in unserem Tagesgeschäft zum Beispiel durch eine verbesserte Datenqualität weiterzuentwickeln, wiederholende Tätigkeiten stärker zu automatisieren oder bestehende Produkte durch neue Datenquellen zu verbessern. Das dürfen wir nicht vergessen, sonst nehmen wir keine Geschwindigkeit bei der Transformation auf. Auf der anderen Seite müssen wir uns schon heute mit weiter in der Zukunft liegenden Anwendungsfällen beschäftigen. Hier sollte das Ziel dann klar auf Innovation, Experimentieren und dem Testen neuer Geschäftsideen ausgerichtet sein. Beide Fähigkeiten müssen wir verstärkt schon heute aufbauen, um wettbewerbsfähig zu bleiben."
Ben: Mit Generative AI sage ich nichts Neues. Ich bin immer noch dabei, all ihre Konsequenzen zu verstehen. Ich denke, das gilt für die meisten, da die bevorstehenden Veränderungen äußerst tiefgreifend sind. Mit <a href="https://www.taod.de/genai-prototyp" data-webtrackingID="blog_content_link" >GenAI</a> haben wir die Möglichkeit, eigentlich qualitative Daten wie quantitative zu behandeln. Das bedeutet, dass ich als Unternehmen meine Arbeit mit zum Beispiel Textdaten, bisher meist in manuellen Prozessen verarbeitet, flächendeckend automatisieren kann, ohne Qualitätsverluste in Kauf nehmen zu müssen. Bislang war das in dieser Form nicht möglich – und es stehen uns noch viele beeindruckende Milestones bevor.
Vielen Dank, Heiner und Ben!
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Quellen:
https://www.rheinenergie.com/de/unternehmen/newsroom/nachrichten/news_72146.html